Zum 80. Geburtstag hat ein Künstler ein besonderes Geschenk erhalten: eine Ausstellung. Seine Enkeltochter macht dabei eine wichtige Entdeckung.
Burgstädt. Bis Ende April ist im Kirchgemeindehaus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Burgstädt eine Ausstellung über Zirkusplakate zu sehen. Der Burgstädter Maler und Lithograf Rolf Teichmann zeigt erstmals Plakate, die er von 1961 und 1965 gestaltet hat. „Ich habe damit ein großartiges Geburtstagsgeschenk erhalten“, sagt der 81-Jährige. Anlässlich seines runden Geburtstages war die Ausstellung von seiner Familie zusammengestellt worden.
Rolf Teichmann hatte in der Druckerei Krußig an der Lessingstraße in Burgstädt und der Industrieschule Chemnitz den Beruf eines Lithografen gelernt. Zusätzlich legte er an der Gutenbergschule in Leipzig den Facharbeiterbrief als Grafischer Zeichner ab. Das war in den 1950er-Jahren. Die Druckerei gibt es heute nicht mehr, aber die Plakate schon. Sie wurden weltweit bekannt.
Um die Plakate entwerfen zu können, sprach er mit Dompteuren, Zirkusdirektoren und Artisten. Rolf Teichmann erinnert sich heute noch gut an das Zusammentreffen mit Michael Milano. „Ich habe den jüngsten Dompteur der DDR kennengelernt und porträtiert“, sagt Teichmann. Dabei habe Milano ihm seine Narben gezeigt, die ihm seine Bären zugefügt hatten, erzählt der Burgstädter. Neben den Motiven der großen Zelte oder gefährlicher Tiere gab es auch die Einzeldarstellung namhafter Personen oder künstlerischer Attraktionen, fügt er hinzu. Als damals bekannte Namen hat der Burgstädter den Clown Bobby, die Reitertruppe Frankordi und die Berberlöwengruppe des Zirkus Alberti zu Stein und Papier gebracht, wie es in der Lithografie heißt.
Für Entwürfe standen auch Schwarz-Weiß-Fotografien zur Verfügung, sagt Rolf Teichmann. „Es gab Vorgaben zu bestimmten Motiven wie fünf Bären, ein Schimmel, drei schwarze Pferde und ein Zelt“, erinnert er sich. Auch mussten die typischen Farben der jeweiligen Zirkuswagen verwendet werden. Er habe trotzdem viele künstlerische Freiheiten besessen.
Der klassische Steindruck, die Lithografie, wurde schon zu DDR-Zeiten vom Offset-Druck abgelöst. Der Steindruck wurde im Jahr 1798 von Alois Senefelder erfunden. Bei diesem speziellen Flachdruckverfahren wird das zu druckende Motiv seitenverkehrt mit einer Fettkreide oder -tusche direkt auf eine geschliffene Steinplatte gezeichnet. Durch eine anschließende Behandlung des Steins mit Ätzflüssigkeit dringt an den unbeschichteten Stellen die Flüssigkeit in die Poren des Steines. So bleibt aufgrund des Abstoßens von Fett und Wasser die Druckerfarbe beim anschließenden Aufwalzen nur auf den gezeichneten Linien oder Flächen haften.
In den 1960er-Jahren arbeiteten etwa fünf Lithografen in der Burgstädter Druckerei. Sie entwarfen und druckten vor allem gebrauchs- und werbegrafische Arbeiten wie Geschäftsbögen, Strumpf- und Textilwerbung oder auch Spirituosen-Etiketten für regionale Unternehmen, sagt Teichmann. Typisch für die Drucke sei eine Signatur in Form der Druckereinummer gewesen, erläutert er. Der Künstler selbst – sofern er nicht als selbstständiger Grafiker arbeitete – war somit nicht namentlich auf dem Druck vermerkt.
Das bestätigt Dietmar Winkler vom Zirkus-Archiv in Berlin. Mit seiner Frau betreibt er privat das Archiv. Er stammt aus dem Erzgebirge und habe sich als Kind schon für den Zirkus interessiert, der jedes Jahr in seinen Heimatort Ehrenfriedersdorf kam, sagt er. Später habe er das Hobby zum Beruf gemacht. Winkler war Pressesprecher des VEB Staatszirkus.
Vor der Geburtstags-Überraschung kontaktierte Anne-Kristin Teichmann, die Enkeltochter von Rolf Teichmann, das Zirkus-Archiv, nachdem sie in einem Fachbuch von Winkler über Zirkusplakate die dort als „unbekannte“ abgedruckten Arbeiten ihres Großvaters entdeckt hatte. „Diese hatte ich doch vor Jahren in Großvaters Zeichnungsmappen gesehen“, sagt die Enkelin. „Die Handschrift ist unverwechselbar, aber es gab keine Signatur“, ergänzt sie. Im Buch sind rund 100 Plakate abgebildet, so Dietmar Winkler.
Die Originalplakate, die auf sehr dünnem Plakatpapier gedruckt waren, wurden also hervorgesucht, eingescannt und in Originalgröße reproduziert. So wurde die Ausstellung quasi zum Geburtstagsgeschenk für den Großvater. „Das war echt spannend“, sagt die 26-Jährige. Sie habe dabei viele Einblicke in die Zirkus-Geschichte der vergangenen 60 Jahre erhalten.
Das Ehepaar Winkler besuchte Burgstädt und die Ausstellung. „Eine tolle Idee“, sagt Dietmar Winkler. Rolf Teichmann habe in seinen Arbeiten das Zirkustypische sehr genau erfasst – die Buntheit und Farbigkeit, ergänzt er. Teichmann habe ein bemerkenswertes Talent für Tierdarstellungen. Deshalb wurde eine Vielzahl von seinen Motiven in seinem Fachbuch veröffentlicht.
Rolf Teichmann wechselte in den 1960er-Jahren das Metier und eröffnete mit seiner Frau Helga ein Ladengeschäft für Erzgebirgische Volkskunst in der Dr.-Robert-Koch-Straße, das inzwischen seine Schwiegertochter weiterführt.
Von Bettina Junge
erschienen am 09.04.2016
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